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Steintor-Feldmark

Die Ausgrabungsstelle in Steinfurt

Bauernleben vor 1000 Jahren
SteintorfeldmarkIn der Burgsteinfurter Steintorfeldmark „inszenierten“ der Archäologe Dr. Gerard Jentgens, der an dieser Stelle in den Jahren  2001/02 eine bäuerliche Siedlung „ausgegraben“ hatte, und sein Team das Mittelalter. Spielerisch erfährt man dort eine Menge über das Leben der Seller Bauern vor etwa 1000 Jahren. Wie wohnten sie? Welche Tiere hielten sie? Und wovon haben sie sich ernährt? All das machte der Archäologe anschaulich, nachdem die für Laien wohl weniger spektakulären Funde aus dem frühen Mittelalter eingehend untersucht und ausgewertet worden waren. Für die Nachfahren sichtbar bleibt eine von der Kreissparkasse geförderte und vom Heimatverein betreute Museumsstation in der Steintorfeldmark. Inmitten des Neubaugebietes ist mit Bäumen und abgeschrägten Eichenpfosten die ursprüngliche Bebauung markiert (Bild rechts). Und auf den Tafeln kann man mehr über die Lebensumstände der Seller Bauern erfahren.
Aus den Bodenverfärbungen ließen sich große Wohnstallhäuser, Scheunen und weitere Gebäude rekonstruieren. Bei tief im Grundwasser liegenden Einrichtungen wie Brunnen oder Eichelkästen waren sogar die Hölzer noch erhalten. Funde von Keramik, Münzen, Trachten und die naturwissenschaftliche Altersbestimmung von Hölzern halfen, die Gebäude und Einrichtungen zeitlich einzuordnen. Durch die zahlreichen Funde gelang es, ein detailliertes Bild vom Alltag der Bauern zu zeichnen und Fragen nach ihrer Ernährung, Tierhaltung Ackerbau, handwerk und Haushalt zu beantworten. Von besonderem Interesse waren dabei die Hinweise auf die Eichelwirtschaft. „Dass wir in Burgsteinfurt nachweisen konnten, wie Eicheln damals für den menschlichen Verzehr zubereitet wurden, ist eine Sensation gewesen“, so der Ausgrabungsleiter Dr. Gerard Jentgens vom Landschaftsverband Westfalen-Lippe.  Offensichtlich lagerten die Bauern Eicheln in vom Grundwasser umspülten Kästen, um den Tanningehalt zu reduzieren und damit genießbar zu machen. Da die Abgabeverpflichtungen der Bauern überwiegend in Korn (Weizen, Gerste, Roggen) bestanden blieb für sie selbst bei schlechter Ernte kaum etwas übrig. Daher war man zur Ernährung mit Eicheln gezwungen, die keiner Abgabe Verpflichtung unterlagen, vermutet Dr. Jentgens. Ackerbau war zu dieser Zeit noch wenig ertragreich.
 Steintorfeldmark2Bei den Grabungen wurden zwei große einschiffige Hauptgebäude in Pfostenbauweise vollständig freigelegt, die aus unterschiedlichen Zeiten desselben Hofes stammen (Modell Bild links). Sieben Brunnen legten die Bewohner in unterschiedlicher Bauart an.
Überrascht hat die Archäologen die Vielzahl der gefundenen Pferdeknochen, vermutlich wurden sie eingetauscht, denn eine Pferdezucht passt nicht in das ärmliche Milieu des Sellener Hofes. Als Arbeitstier der Bauern war das Pferde erst Jahrhunderte später üblich und ersetzte die Ochsen.
 Ein 18 Quadratmeter großes Grubenhaus bot Platz für viele handwerkliche Tätigkeiten. Eine Feuerstelle wurde für den Buntmetallguss und kleinere Schmiedearbeiten genutzt, im Grubenhaus wurden Schuhe und Geschirr repariert, die Wolle der Schafe, Flachs und Hanffasern versponnen sowie Gebrauchsgegenstände aus Ton und Knochen hergestellt.
Die Anfänge der Hofstelle in Sellen datiert Dr. Jentgens auf das  ausgehende 9. Jahrhundert. Sie wuchs im 10. Jahrhundert kontinuierlich, was mehrere Um- und Erweiterungsbauten belegen. Die letzte Siedlungsphase begann mit einem einschneidenden Ereignis. Die alte Hofstelle wurde aufgegeben und etwa 50 Meter nach Südosten verlagert, erreichte aber nicht die Größe des altes Hofes. Mitte des 11. Jahrhunderts brach die Bewirtschaftung des neuen Gehöftes ab. Ob die Not die Bauern vertrieb oder sie ihr Glück in der neu entstehenden Stadt Steinfurt suchten ist nicht bekannt. „Möglicherweise wurde die Hofstelle auch an einen besser geeigneten Platz verlagert“, vermutet Dr. Jentgens in der im Jahr 2009 erschienenen Schrift des Landschaftsverbandes  „Von Bauern und Schmieden im Mittelalter – Archäologie im Kreis Steinfurt“.